16 Nov

Backwaters, oder ein Tag der Stille

Mit einem weinenden Auge hab ich mich gestern von Varkala und von meiner Lieblingssonnenbrille verabschiedet. Sie war bereits 3 mal auseinander gebrochen, aber dank unzaehliger Stunden Unterricht bei MacGyver hab ich sie immer wieder retten koennen. Aber nun ist sie hin und wurde ersetzt durch ein Modell, dass auf den schoenen Namen “Dessert” hoert. Soll wohl ein Diesel Fake sein. :)

Gestern machte ich mich auf den Weg nach Kollam, um von dort die Faehre nach Alleppey zu nehmen. Bei acht Stunden Bootsfahrt dachte ich mir, es ist wohl besser, gleich mit dem Dehydrieren anzufangen, damit ich nicht in die Verlegenheit komme, eine der mehr oder weniger leckeren Toiletten benutzen zu muessen. Hat auch gut geklappt.

Da die Faehre eine Art Touri-Faehre ist (der Bus braucht fuer die gleiche Strecke nur 2h), fuhren auch nur indische Touris und Weisshaeutige mit. Schoen gemuetlich tuckert man die Wasserstrassen entlang und kann das Leben in den am Kanal gelegenen Doerfern verfolgen. Nach ca. 3h Fahrt und nach der Mittagspause tauchen ploetzlich 2 Hochhaeuser im Dschungel auf. Der Amma-Ashram, wo wir auch gleich ein paar Mitreisende von Bord gehen liessen. Ich bin ja jetzt nicht fuer diesen Guru-Kram zu haben, aber interessieren wuerde es mich schon, wie es sich dort lebt. Ich habe auch einige getroffen, die dort Zeit verbracht haben, um einfach abzuschalten. Amma (bedeutet “Mutter”) hat den Ashram 1978 gegruendet und sie hat wohl heilende Kraefte, die sie durch Umarmungen weitergibt. Ausserdem lehrt sie Yoga und andere hinduistische Traditionen. Durch die vielen Spenden, die sie aus aller Welt erhaelt, hat sie einige Hilfsprogramme gestartet, z.B. in Haiti und besonders hier in den Tsunami-geschaedigten Gebieten. Sie hat Schulen gebaut, Muellentsorgungsprogramme ins Leben gerufen und viele Einrichtungen fuer Kranke und alleinerziehende Muetter aufgezogen. Nicht schlecht, aber wenn ich in einen Ashram gehen wuerde, dann vielleicht eher in einen Yoga-Ashram, wie den von Sivananda. So langsam komme ich zur Ueberzeugung, dass ich nochmal nach Indien kommen muss, um all die Sachen zu sehen, die dieses Mal nicht auf die Liste gepasst haben. Na jedenfalls habe ich auf dem Boot noch ne nette indische Familie kennengelernt, die mich auch gleich in ihr Haus in Delhi eingeladen hat. Das passt ja… :) Auf dem Boot war ebenfalls ein Englaender, dem irgendwer erzaehlt hatte, dass er fuer die Kinder in Indien als Geschenk Kugelschreiber mitbringen sollte. Da wohl 200 davon dabei hatte, wollte er die dringend loswerden und begann irgendwann damit, die Kinder rechts und links des Kanals damit zu bewerfen. So ein Depp! Die indische Familie war darueber auch sehr erbost. Soviel zum Thema “er meinte es gut und machte nette glueckliche Kinder zu Kuli-Bettlern”. Depp nochmal!

Nach doch ziemlich langen 8 Stunden kamen wir dann endlich in Allepey an und sobald ich von Bord ging, hatte ich ca. 30 Fans, die mir entgegenbruellten, dass ich doch in ihrem Homestay uebernachten sollte oder sie mich mit der Rikscha ueberall hinfahren koennen. Nur gut, dass die alle kleiner sind als ich, aber ein Laermschock war es nach den 8 besinnlichen Stunden schon. Hab mich dann zu meinem Ayurveda-Resort fahren lassen und den Tag mit Abendessen und Lesen ausklingen lassen.

Das Resort hat Bambushuetten und das Haupthaus, in welchem ich ein Zimmer habe. Es ist ein altes keralisches Haus, einstoeckig, mit einem Innenhof, ein bisschen wie bei den Spaniern. Da die Kueche auch im Innenhof ist, war es gegen 6:30 mit der Nachtruhe vorbei, aber ansonsten ist es ganz schoen hier. Heute habe ich es mir gutgehen lassen und endlich mal eine ayurvedische Massage probiert. Die ist nicht gerade zimperlich, aber ganz entspannend. Es wird parallel auf beiden Koerperhaelften gleichzeitig massiert. Heute Nachmittag habe ich mich dann mit einem Kanu durch die Kanaele schippern lassen. Die Schulkinder liefen gerade nach Hause und man konnte viel doerfliches Treiben beobachten. Jedes Haus hat einen Waschplatz am Wasser, der entweder aus 2 Steintreppen oder einfach nur einem grossen Stein besteht. Auf dem Stein liegt die Seife bereit und darauf werden die Klamotten beim Waschen geschlagen, bis der Dreck raus ist. Dieser Platz ist ebenfalls die Dusche und die Spuelmaschine. Ich konnte viele Frauen beim Waesche oder Geschirr waschen beobachten, kleine Kinder, die gebadet wurden und als das Schulboot kam, waren die Ufer voll von huebsch zurecht gemachten Kindern in Schuluniform.

Kerala ist (zumindest hier) ein sehr entspanntes Bundesland. Die Menschen sind freundlich und lachen viel. Da hier auf den grossen Kanaelen auch tausende von Bambushausbooten fahren, sieht man ueberall Boote, die gerade hergerichtet werden. In meinem Resort gibt es ueberdimensional viele Angestellte: Gaertner, Hausmeister, Putzfrauen, Masseusen, Koeche, Kellner usw. Seit heute morgen war ein Mann damit beschaeftigt, den Schimmel von den Mauern zu kratzen, von 8:30 bis 17:00. Er hatte einen Spatel und einen Schwamm mit einem Eimer Wasser. In Deutschland haette man einfach den Kaercher Dampfstrahler aus der Garage geholt und das Thema waere nach 2h erledigt gewesen. Es gibt in Indien viele solcher Jobs, so dass man den Menschen hier wuenscht, dass die westliche Technik nicht allzu bald hier Einzug haelt. Was machen die sonst den ganzen Tag?

Morgen geht es dann mit dem Bus nach Ernakulam (Kochi) und dann am Freitag frueh nach Hause…

2 thoughts on “Backwaters, oder ein Tag der Stille

  1. ach wie schade, dann ist es ja bald wieder vorbei mit deinen berichten. wir haben gespannt mitgelesen. aber auf den großen mit den fotos freuen wir uns schon :-) komm gut wieder nach hause! liebe grüße aus schwerin!

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